Menhir von Mittelbrunn - Lyakon

Sed omnes una manet nox et calcanda semel via leti.
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Menhir von Mittelbrunn

Menhire > Rheinland-Pfalz > Landkreis Kaiserslautern
Bei Mittelbrunn im Land der Pfälzer steht inmitten  eines Feldes ein einsamer Menhir und blickt gen Süden.
Auch wenn er  bereits seit langer Zeit Wind und Wetter trotzt, so scheinen die  Elemente doch keinen Einfluss auf ihn zu haben. Er ist von der  Ewigkeit berührt eine immerwährende Konstante im ständigen Strom der Zeitalter. Obgleich Forscher glauben, dass dies steinerne  Monument vor Jahrtausenden von den neolithischen Bewohnern der Region  aufgerichtet wurde, gibt es in der Bevölkerung eine dunklere Sage, die  von Liebe und Betrug kündet.

Einst lebte hier ein junger Rittersmann, der von wunderschönem Wuchs und edlem Gemüt war. Er war tugendhaft und tapfer, wie es von einem  Edelmann zu erwarten war. Dem Waidwerk zugetan, verbrachte er die freie  Zeit in den Wäldern der Umgebung.
Auf einem seiner ausgedehnten Jagdausflüge traf er auf eine  jungfräuliche Bauerntochter, die Brennholz für ihre Familie sammelte.  Auch wenn das Mädchen von niederem Stand war, so verfügte ihr gesamtes  Wesen über eine Anmut, die einer Prinzessin ebenbürtig war. Kaum  verwunderlich, dass ihr Anblick sogleich das Herz des Ritters rührte.  Nun war aber solch eine Verbindung in jenen Tagen verpönt, so dass man  der Liebe nur geringe Chance gab. Gleichwohl warb der Jüngling, sehr zum Missfallen seines Vaters, über ein ganzes Jahr hinweg um die Gunst des  schönen Weibes.
Vielleicht hätte die Unerschütterlichkeit der Liebe irgendwann auch das  Herz des Vaters berührt, doch das Schicksal hielt andere Wege für die  Liebenden bereit. Am 27. November des Jahres 1095 hatte Papst Urban in  einer Rede vor dem Osttor der Stadt Clermont zum Kreuzzug gegen die  Besatzer des Heiligen Landes aufgerufen. Als Peter von Amiens im  folgenden Frühjahr gen Süden aufbrach, da schloss sich ihm der junge  Rittersmann an. Er hoffte durch diese gottgefällige Tat, den notwendigen Segen für eine Heirat mit der Jungfrau zu erhalten.
Das Paar traf sich ein  letztes Mal am 19. April an jenem Platz, wo heute noch der Hinkelstein  auf ewig gen Jerusalem schaut. Mit heißen Küssen verabschiedete man  sich, dann ritt der Jüngling auf in eine ungewisse Zukunft.
Lange harrte die Magd am Ort der Trennung aus und blickte zu der Stelle, wo der  Ritter vor Stunden ihrer Sicht entschwunden war.
Sie bemerkte die Anwesenheit des Fremden erst, als dieser sie ansprach:  »Welch trauriger Blick Euer wohlgeformtes Antlitz verdunkelt.«
Das Mädchen zuckte zusammen und fuhr herum. Hinter ihr stand ein Mann in schwarzer Robe mit stechendblauen Eisaugen und blondem schulterlangen  Haar. Er stellte sich ihr als Korphos von Aachen vor und gab an, dass er ein Wanderprediger sei, der das Wort Gottes unter den einfachen Menschen verbreiten würde. Obgleich  die Gestalt sie ängstigte, so weckte doch die behauptete Profession  Vertrauen in ihr. Von einem Gottesmann hatte sie, so glaubte sie, kein  Leid zu erwarten. Daher berichtete sie ihm von ihrem Problem, während er ihr aufmerksam lauschte.
Als ihre Beichte geendet hatte, da schloss er kurz die Augen und  murmelte in einer kehligen Sprache seltsame Worte, deren Sinn das  Mädchen nicht verstand. Dann lächelte er und sagte: »Gott ließ mich den  weiteren Weg deines Liebsten erkennen. Wenn es Dein Wunsch ist, so vermagst du durch meinen Segen hier bis zu seiner sicheren Rückkehr warten.«
Mysteriös waren die Worte, welche der Fremde sprach, doch dem Mägdelein war dies einerlei. Für sie war nur die Rückkehr ihres Liebsten wichtig, die sie kaum erwarten konnte. Gerne würde sie an diesem Orte ausharren, bis er zu ihr zurückkehren würde.
»Was ist der Preis für diese Hilfe?«, fragte die Magd, aber der  Wanderpriester versicherte ihr, dass er nichts von ihr verlange. So  schlug sie ein und besiegelte den Pakt nach alter Art. Indes als ihre Hand die seine berührte, da spürte sie eine Kälte, die  auf sie übersprang. Ihre Füße wurden schwer und eine bleierne Müdigkeit  hüllte sie ein. Der Blick wurde trübe, begann zu verschwimmen.
»Was passiert mit mir?«, waren die letzten Worte, die über ihre Lippen  kamen.
Mit einem grausamen Lächeln erwiderte Korphos: »Dein Liebster wird am  08. Oktober vor den Toren der Stadt Xerigordon hingerichtet. Er wird dort nach verlorener Schlacht gefangen genommen und verweigert eine Konvertierung zum Islam. Daher wirst du an dieser Stelle ewig auf seine Rückkehr  warten müssen. Ich versprach dir, dass ich es dir ermögliche hier  auszuharren, bis dein Geliebter dich hier wiedertreffen wird. Da dies  niemals zu erwarten ist, habe ich dir einen Leib geschenkt, der die  Ewigkeit überdauern wird.«
Dann verschwand der Wanderprediger lachend, während sich das schöne  Mädchen zum steinernen Menhir wandelte.

Ob diese Sage auf einer wahren Begebenheit basiert, vermag ich indes  nicht zu sagen, doch berichten die Alteingesessenen, dass in jedem Jahr  am 08. Oktober sich der Morgentau dergestalt auf dem Menhir sammelt,  dass er punkt 11:19 Uhr tränengleich zu Boden gleitet. Eben zu jener  Zeit, als einst im fernen Xerigordon die Überreste des Kreuzfahrerheeres hingerichtet wurden.
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